Das ehemalige Reußische Amtshaus, gelegen in der thüringischen Kleinstadt Schleiz, blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. 1838 erbaut, wurde es über die Jahre hinweg mehrfach umgenutzt und während des Zweiten Weltkriegs stark beschädigt; zuletzt standen die Räume leer und waren so ihrem stetigen Verfall überlassen. Als die Verantwortlichen beschlossen, das Baudenkmal als Sitz für die neue Stadtbibliothek „Dr. Konrad Duden“ zu nutzen, stellten sie sich einer großen Herausforderung: Unter der Prämisse, das Gebäude energieeffizient zu sanieren, galt es, die oft gegensätzlichen Anforderungen an Klima- und Denkmalschutz miteinander zu vereinen. Dafür war eine komplexe Rekonstruktion und Sanierung des historischen Gebäudebestands nötig, für eine zeitgemäße und nutzerfreundliche Stadtbibliothek – eine moderne Bildungs- und Begegnungsstätte inmitten des Schleizer Schlossparks.
Bewegte Vergangenheit und aussichtsreiche Zukunft
Das Reußische Amtshaus Schleiz wurde 1838 erbaut und während des Zweiten Weltkriegs stark beschädigt. Vor seiner vollumfänglichen Sanierung wurde das Gebäude zuweilen als Kinderarztpraxis, TBC-Röntgenstation, Pionierhaus sowie Kinder- und Jugendfreizeitzentrum genutzt, bis es zuletzt leer stand. Statt das Baudenkmal seinem Verfall zu überlassen, entschieden die Schleizer Stadtherren, daraus eine Bildungs- und Begegnungsstätte zu machen – ein kleines geistiges Zentrum der Stadt: Das alte Amtshaus inmitten des Schleizer Schlossparks sollte das neue Dach der Stadtbibliothek „Dr. Konrad Duden“ werden.
Dafür kaufte die Stadt im Jahr 2008 das denkmalgeschützte Gebäude vom Landkreis Saale-Orla, um es nach aktuellen energetischen Standards zu sanieren. Mittels Nutzung der Förderkulisse des Zukunftsinvestitionsgesetzes (ZulnVG) sowie des Bund-Länderprogramms für städtebauliche Sanierungs- und Erneuerungsmaßnahmen (BL-SE) plante und realisierte die Stadt die komplexe Rekonstruktion sowie Umnutzung des historischen und denkmalgeschützten Gebäudebestands für eine zeitgemäße und nutzerfreundliche Stadtbibliothek.
Zwischen Denkmalschutz und Mindestluftwechsel
Bereits in der Planung, so Bauamtsleiter der Stadt Schleiz Thomas Haberkern, sei die parallele Beachtung sämtlicher gesetzlicher Forderungen hinsichtlich Klimaschutz, Wärmedämmung und Denkmalpflege eine besondere Herausforderung gewesen. „Bei der Beachtung aller Normen musste zugleich die qualitative Herausarbeitung der klassizistischen Fassade Berücksichtigung finden“, so Haberkern.
Gleichzeitig galt es auch, die Richtlinien der Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken sowie Arbeitsstättenrichtlinien zur Beschaffenheit öffentlicher Gebäude zu erfüllen. Daraus ergab sich unter anderem die Gewährleistung des gesetzlich festgeschriebenen Mindestluftwechsels: „Je nachdem, wie viele Personen sich in einem öffentlichen Gebäude aufhalten, müssen bestimmte Luftwechselraten eingehalten werden. Für die neue Schleizer Bibliothek haben wir einen drei- bis fünffachen Luftwechsel vorgesehen“, erklärt Marco Rudolph, Geschäftsführer der PEM-energy GmbH, der das Projekt als Fachplaner TGA und Energieberater verantwortete.
Flexibles Lüftungssystem als Lösung
Mit Baustart im Jahr 2009 erfolgte unter besonderer Beachtung nutzungsspezifischer Normativen, der Raumstruktur und nachhaltig-energetischer Planungs- und Betriebsaspekte eine vollständige Entkernung der Gebäudeflügel, im Zentralbereich eine Teilrekonstruktion des Treppenhauses sowie der Einbau eines Personenaufzuges für eine barrierefreie Nutzung des Gebäudes. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, grundlegende historische Gebäudestrukturen zu bewahren. Der vorläufige Plan, eine zentrale Lüftungsanlage im Kopfbau zu installieren, stellte sich daher als nicht umsetzbar heraus.
„Die per Arbeitsstättenrichtlinie geforderte Luftwechselrate hätte ein zentrales Lüftungsgerät in der Größe eines VW-Busses erfordert“, erklärt Rudolph. „Dem gegenüber stand ein Nutzungsplan, der viel freie, helle Fläche, aber kaum Platz für Technik vorsah. Entsprechend haben wir uns für den Einsatz eines flexiblen dezentralen Lüftungssystems entschieden.“
Mit der Installation der dezentralen Lüftungsanlagen zeigt sich der Fachplaner aufgrund ihrer zahlreichen Vorteile sehr zufrieden. So sei die Tatsache, dass dezentrale Lüftungen bei ihrer Installation deutlich weniger bauliche Maßnahmen als zentrale erfordern, sehr förderlich gewesen. „Da die dezentrale Lüftung ohne zusätzliche Rohrleitungen auskommt, konnten wir zum Beispiel die Ansicht des Kreuzgewölbes im Erdgeschoss erhalten. Die Leitungen einer zentralen Anlage hätten diese empfindlich gestört“, erklärt Bauamtsleiter Haberkern, der weitere Vorteile hinsichtlich der Ästhetik hinzufügt: „Die dezentralen Anlagen verschwinden größtenteils in den Wänden. Deshalb war es relativ einfach, dem Denkmalschutz nachzukommen: Wir haben die Außenhauben der dezentralen Geräte mit der Fassadenfarbe abgestimmt und die Lüfter unter den Fenstern platziert. Die Lüfter bzw. ihre Außenhauben sind somit kaum erkennbar und das Erscheinungsbild des Gebäudes wird nicht beeinträchtigt.“
Effizient durch Querlüftungsprinzip
Installiert wurden im gesamten Gebäude die dezentralen Lüftungsgeräte des Herstellers inVENTer GmbH. Während die Wandeinbauhülsen bereits in der Rohbauphase gesetzt wurden, erhielten die Lüfter ihr technisches Innenleben in der finalen Phase des Bauprojekts. Insgesamt sind 20 Lüfter des Typs inVENTer® iV25 und zwei inVENTer® iV14R im Einsatz. Sie belüften in der Stadtbibliothek Schleiz ein Raumvolumen von 1.839 m³ – verteilt auf die offene Raumstruktur des Gebäudes sowie die separate Kinderbibliothek und das Foyer. Zu ihrer Regelung dienen fünf Regler des Typs ZR30 und einer des Typs ZR6.
Die inVENTer-Lüfter arbeiten nach dem Querlüftungs-Prinzip: Während ein Lüfter frische Luft ansaugt, filtert und die saubere Luft in den Raum abgibt, führt der zweite Lüfter die verbrauchte Luft parallel dazu ab. Dabei drehen sich die Lüfter in definierten Zeitintervallen in eine Richtung, bevor sie automatisch wechseln. Vor der Abgabe der Frischluft in den Raum wird diese im Keramikwärmespeicher des Lüfters erwärmt – mit der Wärme der verbrauchten Abluft aus den Innenräumen. Neben diesem Pendelbetrieb besteht auch die Möglichkeit der Dauerlüftung.
Prämierte Verbindung von Klima- und Denkmalschutz
Mit dem klimafreundlichen Umbau eines Baudenkmals zur Stadtbibliothek „Dr. Konrad Duden“ hat die Stadt Schleiz in besonderer Weise Klimaschutz und Denkmalschutz miteinander verknüpft. In nur zwei Jahren Bauzeit ist auf einer Nettogrundfläche von 534 m2 eine Bibliothek entstanden, die zu Lektüre und Begegnung einlädt. Die offizielle Eröffnung der neuen Schleizer Stadtbibliothek erfolgte am 5. Mai 2011. Für die vorbildlichen technischen und baulichen Maßnahmen zugunsten des Klimaschutzes wurde das Bauprojekt nicht zuletzt im Rahmen des Wettbewerbs „Kommunaler Klimaschutz 2013″ in der Kategorie „Klimaschutz in kommunalen Liegenschaften“ ausgezeichnet.